Umwelt und Handschaltgetriebe

W.Hasewend, Mai 2019

Mit dem zunehmenden Druck auf die Autoindustrie, die drängenden Umweltfragen anzugehen, sind viele neue und interessante technische Lösungsvorschläge entstanden. Aber auch klassische Mittel, wie die Verringerung der Fahrwiderstände und die Erhöhung des Gesamtwirkungsgrads, halten noch immer attraktive Einsparungspotenziale bereit. Im Folgenden wird eine Orientierung über die dynamischen Fahrzeugmarkt- und Fahrzeugmengenverhältnisse gegeben und damit auch über Ansatzpunkte für technologische Veränderungen, da die Reduktion der CO2-Emission im Straßenverkehr dort am besten gelingt, wo die fahrzeugspezifische Verbesserung, die eine neue Technologie ermöglicht, auch in der Gesamtfahrleistung aller mit dieser Technologie ausrüstbaren Fahrzeuge als Multiplikator wirksam wird. In diesem Zusammenhang bietet gerade das Handschaltgetriebe mit seiner langen Tradition, großen Verbreitung und seinen hervorragenden Eigenschaften erstaunliche Möglichkeiten zur effektiven und in der Größenordnung interessanten Einsparung von CO2, was anhand einer Modellrechnung auch quantifiziert wird. Demnach könnten 3% der gesamten von PKW in Deutschland verursachten CO2-Emission vermieden werden. Abschließend gibt ein Vergleich verschiedener Technologien zur CO2-Vermeidung einen Überblick über Anwendungs- und Wirkungsbereiche.

Allein auf Deutschlands Autobahnen legten deutsche und ausländische Fahrzeuge im Jahr 2017 246,1 Milliarden Kilometer zurück. Mit einer Jahresfahrleistung von 630,5 Milliarden Kilometer hatten PKW in Deutschland im Jahr 2017 einen Anteil von 86,2% an der Gesamtfahrleistung deutscher Fahrzeuge, wobei sich Fahrzeuge mit Otto- und Dieselmotoren mit 316,5 bzw. 303 Milliarden Kilometer etwa die Waage hielten und Fahrzeuge mit alternativen oder sonstigen Antrieben nur auf 10,9 Milliarden Kilometer kamen.

Im Jahr 2018 wurden in Deutschland 3,44 Millionen PKW neu zugelassen. Der Anteil bei den Dieselfahrzeugen sank weiter und reduzierte sich auf 32,3% der Neuzulassungen. Bei den mit Ottomotor angetriebenen PKW stieg die Zahl der Neuzulassungen im gleichen Zeitraum hingegen auf 2,14 Millionen und erreichte 62,4%. Elektro- bzw. Hybridfahrzeuge hatten in 2018 eine Zuwachsrate von 43,9% bzw. 53,8%, stellten bei den Neuzulassungen jedoch nur einen Anteil von 1% bzw. 3,8% am Gesamtvolumen dar.

Der Bestand an PKW in Deutschland beträgt zum Januar 2019 47,1 Millionen Fahrzeuge. Die Jahresfahrleistung von PKW, die nicht älter als drei Jahre sind, ergab in 2017 219 Milliarden Kilometer, wovon 38,9% auf ottomotorische, 59,4% auf dieselmotorische und 1,8% auf alternative oder sonstige Antriebe entfielen.

Dass die Verteilung der Gesamtjahresfahrleistung zwischen Otto- und Dieselmotoren aber knapp zugunsten der Ottomotoren ausfällt, ist durch den Altbestand von PKW aus Zeiten zu erklären, als der Dieselmotor im PKW noch keinen maßgeblichen Marktanteil hatte. Auch wenn sich, wie an diesem Beispiel gut zu sehen, die verbaute Technologie im Fahrzeugbestand nur langsam verändert, kann die Auswirkung des deutlichen Rückgangs bei den Diesel-Neuzulassungen bereits im durchschnittlichen CO2-Ausstoß der deutschen PKW-Flotte festgestellt werden. Während im Jahr 2010 noch 151,7 gCO2/km als Durchschnittswert für die deutsche PKW-Flotte angegeben wurden und durch stetige Verringerung in 2016 bereits 127 gCO2/km erreicht werden konnten, zeigt die Zahl in 2017 mit 128 gCO2/km, dass sich der Trend auch wegen der stark gestiegenen Anteile der SUVs nicht ohne weiteres fortsetzen lässt. Erst wenn die durch die Dieselkrise im Jahr 2015 ausgelöste Verunsicherung und die damit bewirkte Verschiebung der Neuzulassungen hin zu ottomotorisch betriebenen Fahrzeugen durch Alternativen, die Käufern neue Anreize bieten und in Hinblick auf die CO2-Emission vorteilhaft sind, aufgefangen wird, wird sich der positive Trend fortsetzen lassen.

Während in Europa und damit auch in Deutschland der Anteil der mit einem Handschaltgetriebe ausgestatteten PKW traditionell hoch ist und noch vor einigen Jahren etwa 80% ausmachte, ist gesamteuropäisch der Anteil von Handschaltgetrieben bereits auf 68,1% gesunken und wird in 2025 etwa 57% erreicht haben. Dennoch wächst die Zahl der für PKW neu hergestellten Handschaltgetriebe auch in Zukunft leicht und beträgt weltweit derzeit etwa 40 Millionen Einheiten pro Jahr. In Indien werden in 2025 voraussichtlich immer noch 90% der PKW mit Handschaltgetrieben ausgestattet sein und auch in Südostasien und China mit 51% bzw. 45% bleibt der Anteil im Jahr 2025 hoch. Auch der nach durchlaufener Krise wieder zu beachtlicher, dem deutschen Markt ebenbürtiger Größe zurückgekehrte Absatzmarkt Brasilien ist in seiner Sensitivität für Kosten ein traditioneller Markt für Handschaltgetriebe.

Das Handschaltgetriebe hat seine in der Disziplin Kraftstoffverbrauch immer unangefochtene Position gegenüber automatisch schaltenden Getrieben verloren. Durch die Nutzung optimierter Schaltkennlinien können letztere in Fahrzyklen zur Ermittlung von Emissionen und Kraftstoffverbrauch Vorteile erzielen, da sie, anders als Fahrzeuge mit Handschaltgetriebe, an keine Schaltpunktvorgabe gebunden sind.

Diese unterschiedliche Behandlung der beiden Getriebegattungen bei der Ermittlung der offiziellen Emissions- und Verbrauchswerte stammt aus der längst vergangenen Zeit, als Automatikgetriebe zufolge bestimmter Messgrößen wie Fahrgeschwindigkeit und Motorlast schalteten und vom Fahrer im Wesentlichen direkt nicht beeinflussbar waren. Der wesentlich günstigere Getriebewirkungsgrad eines Handschaltgetriebes führt neben der deutlich verminderten Masse bei gleichen Schaltpunkten jedoch immer zu einem wesentlichen Vorteil bei Emissionen und Verbrauch.

Während also die Unterscheidung der Messprinzipien bei einer von der EU für jede Überschreitung der Emissionsvorgabe verhängten Strafe von 95€ je gCO2/km in Frage zu stellen ist, geht im Vergleich der Anzahl der Getriebeübersetzungen das Automatikgetriebe gegenüber dem Handschaltgetriebe als klarer Sieger hervor. Traditionell immer mit einem zusätzlichen Vorwärtsgang gegenüber dem Automatikgetriebe im Vorteil, hat letzteres mit der Verbreitung der Lepelletier-Technologie rasch gleichgezogen und das Handschaltgetriebe mit zunächst sieben und acht, dann neun und zehn Vorwärtsgängen klar hinter sich gelassen.

Auch wenn sich diese Entwicklung wieder umkehren wird, weil mit Hilfe der verstärkten Hybridisierung auch ohne die Vielzahl der Übersetzungen immer in den Bereichen des Motorverbrauchskennfelds gefahren werden kann, die einen hohen Wirkungsgrad aufweisen, fehlen dem Handschaltgetriebe wenigstens ein, vielleicht auch zwei Vorwärtsgänge. Handschaltgetriebe werden auch in Europa vielfach mit nur fünf Vorwärtsgängen ausgestattet, im mittleren und oberen Preissegment mit sechs Gängen und ganz selten, bei exklusiven Sportwagen, auch mit sieben Vorwärtsgängen.

Im Fahrzeug bedeutet das besonders bei leistungsstarken Motorisierungen und höheren Fahrgeschwindigkeiten, z.B. auf Autobahnen, entsprechend wesentlich höhere Motordrehzahlen als es für optimale Verbrauchs- und Emissionswerte richtig wäre. Der tatsächliche Gesamtwirkungsgradnachteil des Handschaltgetriebes ist also in der Begrenzung der Getriebegänge zugrunde gelegt.

An dieser Stelle muss auch der Mensch in die Diskussion einbezogen werden: Wie viele Vorwärtsgänge kann er zuverlässig unterscheiden und richtig verwalten? Dem automatisch schaltenden Getriebe werden häufig deswegen kraftstoffsparende Eigenschaften zugeschrieben, weil es den Fahrer weitgehend von der Entscheidung über die richtige Fahrstufe verdrängt. Andererseits stehen dem Fahrer zahlreiche Fahrmodi zur Verfügung über die er Einfluss auf das Schaltverhalten des Getriebes nimmt und auch eine direkte Schaltbetätigung ist vielfach zur Standardausstattung geworden. Außerdem bleibt bei dieser Betrachtung der rechte Fuß, der die Fahrvorgabe eingibt, die letztlich zur Schaltvorgabe wird, unberücksichtigt.

Wäre also ein Handschaltgetriebe mit sieben oder acht Gängen tatsächlich beim Verbrauchsverhalten unterlegen, weil der Fahrer das schwächste Glied in der Kette darstellt? Psychologen haben herausgefunden, dass der Mensch allzu bereit ist, Verantwortung bei Steuerungs- und Kontrollaufgaben auf technische Systeme zu übertragen. Dennoch ist das menschliche Gehirn beim Erkennen und Abwenden einer Gefahr kaum zu übertreffen. Auch hat man erkannt, dass Defizite bei der Aufmerksamkeit Ursache für menschliches Versagen sein können und es spricht einiges dafür, dass eine Steigerung der Anzahl von Assistenzsystemen keine weitere Erhöhung der Verkehrssicherheit bringen wird. Eine Eigenverantwortung des Fahrers für den Energieverbrauch im Zusammenspiel mit korrekter Rückmeldung vom Fahrzeug und entsprechenden Handlungsempfehlungen könnte analog zu Sicherheitsüberlegungen ähnliche Vorteile bieten.

In jedem Fall darf angenommen werden, dass ein durchschnittlicher Fahrer eines mit einem Handschaltgetriebe ausgestatteten PKW, der im Stadtverkehr womöglich fallweise, trotz heute üblicher Gangempfehlung, in zu niedrigen Gängen fährt, beim Erreichen höherer Fahrgeschwindigkeiten, wie sie auf Autobahnen üblich sind, schon wegen der damit verbundenen akustischen Komfortsteigerung in den höchsten verfügbaren Gang schalten wird.

Auf die Einleitung zurückkommend werden auf Autobahnen in Deutschland sicher in sehr hohem Maß Geschwindigkeiten gefahren, die das Einlegen der obersten Fahrstufe erlauben. Eine Rechnung mit modellmäßigen Annahmen ergibt bei einem Anteil von PKW von 80% an der gesamten Verkehrsleistung auf Autobahnen von 246,1 Milliarden Kilometern, wie 2017 in Deutschland verzeichnet, einem Durchschnittsverbrauch von 10 Litern Kraftstoff je 100 Kilometer (Autobahnschnitt) für einen Anteil von PKW mit Handschaltgetriebe von 70% und darunter einem Anteil von PKW mit Ottomotor von 50% in einem Jahr eine Emission von 34,3 Megatonnen CO2.

Im Jahr 2017 war der gesamte PKW-Verkehr in Deutschland für den Ausstoß von 115 Megatonnen CO2 verantwortlich, was die Relevanz der betrachteten Modellrechnung verdeutlicht. Könnte durch den sechsten, siebten oder achten Vorwärtsgang in Fahrzeugen mit Handschaltgetriebe auf Deutschlands Autobahnen eine Reduktion des Kraftstoffverbrauchs um 10% (Autobahnschnitt) realisiert werden, wären das allein auf Autobahnen in Deutschland jährlich ersparte 3,4 Megatonnen CO2 und damit reale 3% der Gesamtemission des PKW-Verkehrs.

Bei einem Vergleich verschiedener Systeme zur Reduktion der CO2-Emission bezogen auf den Geschwindigkeitsbereich, in dem diese wirksam sind, ergibt sich folgendes Bild: Während die ebenfalls für eine CO2-Reduktion sehr effektiven Stop/Start-Systeme ihre Wirkung naturgemäß im langsamen Verkehr entfalten und Hybridantriebe für Stadtfahrten mit stetig wechselnden Last- und Leistungsforderungen prädestiniert sind, aber mit zunehmendem Geschwindigkeitsniveau unwirksam werden, bietet die technisch unkomplizierte und kostengünstige Erhöhung der Zahl der Getriebegänge in Handschaltgetrieben ein attraktives zusätzliches RDE-Reduktionspotenzial im Bereich der Autobahngeschwindigkeiten (RDE: real driving emissions – im realen Fahrbetrieb entstehende bzw. in Echtzeit gemessene Emissionen).

Quellen: BMVI, KBA, UBA, ADAC, Statista, DAT, Schaeffler, Auto-Motor-Sport, Focus, Welt